Scientology zügelt von Bern ins Dorf

Endlich haben wir es in Bern in die so wichtigen Medien geschafft und zwar gleich fünffach: im Bundeshaus und von Politikern wird «Der Bund» und die «Berner Zeitung» sehr geschätzt und rege gelesen. In der Zwischenzeit erschien der Artikel auch im «Thuner Tagblatt», im «Berner Oberländer», in der «Langenthaler Tagblatt», auf der Webseite der Katholischen Kirche», im «Newstral» und «The World News».

Was für ein toller Bericht! Und eine Frage gefällt uns besonders gut:

«Ist Scientology nun eine gefährliche Sekte oder ein serbelnder Seniorenverein?»

Während unserem Auftritt in Bern am 9. Oktober 2021 haben wir ebenfalls festgestellt, dass keine jüngeren Scientologen am Stand waren und wir haben folgendes zu diesem Thema geschrieben:

Heute war das Scientology Seniorenheim am Stand und es sieht tatsächlich so aus, dass es grosse Nachwuchssorgen bei den Berner Scientologen gibt. Statt bei Kaffee und Kuchen zu sitzen, mussten die etwas älteren Scientologen Standarbeit verrichten. Hier der Link dazu: https://fb.watch/cQEkYSJ8YB/

Danke auch dafür, dass nicht nur die Tarnorganisationen erwähnt wurden, sondern auch die von den Bernern Scientologen betriebene Website «Deine Lebensveränderungs-Lösung», welche auch im Facebook aufgeschaltet ist – bitte lasst die Finger davon.

Hier der Link zum Bund Artikel vom 7. Mai 2022: https://www.derbund.ch/scientology-zuegelt-von-bern-ins-dorf-400987309052?idp=OneLog&new_user=yes

Hier der Link zum Berner Zeitung Artikel vom 7. Mai 2022: https://www.bernerzeitung.ch/scientology-zuegelt-von-bern-ins-dorf-400987309052

Sekte aus den USA

Scientology zügelt von Bern ins Dorf

Der Berner Ableger von Scientology hat seit Jahren Mühe, Nachwuchs zu finden. Nun musste die Gruppierung ihr Haus im Monbijouquartier verlassen.

Adrian Hopf-Sulc

Inzwischen sind die Schilder abgeschraubt: Der langjährige Sitz von Scientology an der Berner Mühlemattstrasse. Foto: Susanne Keller

Tom Cruise und John Travolta, prunkvolle Gebäude und eine perfekte Inszenierung in den eigenen Medien: Das ist Scientology in den USA. In der Schweiz ist alles etwas weniger glamourös. Und in Bern noch etwas kleiner als in anderen Schweizer Städten.

Bis Ende April trafen sich die Berner Scientologen in einem alten, kleinen Haus beim Monbijoupark. Dann wurden die Schriftzüge «Scientology Kirche» und «Dianetik Beratung» abgeschraubt und das Haus leer geräumt. Die Hauseigentümerin hat den Mietvertrag mit Scientology gekündigt, weil sie das Gebäude gemäss Baugesuch zu einer grossen Wohngemeinschaft umbauen will.

Die religiöse Gruppierung hat eine neue Bleibe gefunden, jedoch ausserhalb der Stadtgrenze: einen Gewerbebau in Frauenkappelen. Also weiterhin weit weg vom Hollywood-Glamour der kalifornischen Scientology-Zentrale.

Kirche mit Glamour: Scientology-Chef David Miscavige in einer Sendung auf der Scientology-Videoplattform. Foto: Screenshot Scientology Network

Der Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gründete Scientology 1953 in den USA. Mit (pseudo-) wissenschaftlichen Methoden sollten die Mitglieder höhere Bewusstseinsstufen erlangen. Ende der 70er-Jahre öffnete in Bern die erste Niederlassung von Scientology in der Schweiz, in den 80ern florierte sie.

Inzwischen ist das Durchschnittsalter der Berner Scientologen deutlich gestiegen. Und: Die Mitgliederzahl in Bern ist geschrumpft. Fällt die Ideologie in Bern nicht auf fruchtbaren Boden? Die Präsidentin von Scientology Bern, Edith Hilfiker, wollte nicht mit dieser Zeitung sprechen. 

5500 oder 500 Mitglieder?

Hilfiker verweist auf Jürg Stettler, den Mediensprecher von Scientology in der Schweiz. Er führt den Mitgliederschwund darauf zurück, dass die später aufgebauten Scientology-Gemeinden in Zürich, Basel und Lausanne viele Leute aus Bern angezogen hätten. Bern ist heute mit knapp zehn hauptamtlichen Mitgliedern die kleinste der fünf als Vereine organisierten Scientology-Kirchen in der Schweiz. Basel zählt laut Stettler deren 80, Zürich sogar 100 Mitglieder, die Voll- oder Teilzeit für Scientology arbeiten. Wobei die Rede nicht von bezahlten Anstellungen ist. Die vollamtlichen Mitglieder arbeiten in der Regel gratis oder für symbolische Beiträge und müssen sich ihren Lebensunterhalt mit anderen Mitteln finanzieren.

Stettler beziffert die Zahl der Scientologen in der Schweiz auf etwa 5500, «wobei nicht alle regelmässig in den Vereinen aktiv sind». Davon seien schätzungsweise 300 bis 400 Personen mit der Berner Niederlassung verbunden. Georg Schmid von der evangelischen Fachstelle Relinfo nennt auf Anfrage eine deutlich tiefere Zahl: «Scientology zählt in der Schweiz nach Angaben von Ehemaligen nur noch rund 500 aktive Mitglieder, gegenüber 3000 im Jahr 1990.»

Bekannte Berner Namen

Ein bekannter Name unter den Mitgliedern von Scientology in Bern ist Housi Knecht. Der Künstler und Eisenplastiker hat eben beim Umzug nach Frauenkappelen mitgeholfen. Knecht will als «einfaches Mitglied» nicht für Scientology sprechen. Auf Anfrage sagt der langjährige Scientologe aber, dass das aktuelle Weltgeschehen zeige, dass Scientology mit ihrem obersten Credo, «eine Welt ohne Geisteskrankheit und Krieg», richtig liege.

Öffentlich zu ihrer Scientology-Mitgliedschaft äusserten sich in der Vergangenheit auch Ernst Brönnimann, früherer Grossrat und Könizer Gemeinderat der Schweizer Demokraten, und Hans Peter Klötzli, Patron der Klötzli-Messerschmiede in Bern und Burgdorf.

Anti-Scientology-Aktivist Beat Künzi vor einem Stand der Gruppe im September 2020 auf dem Berner Bärenplatz. Foto: Enrique Muñoz García

In der Öffentlichkeit treten die Scientologen in Bern heute weniger in Erscheinung. Einer, der darüber genau Buch führt, ist Beat Künzi. Der Baselbieter und seine Frau nennen sich «Freie Anti-Scientology-Aktivisten» und werden immer dort mit Warnschildern aktiv, wo die Scientologen mit einem Stand das Publikum ansprechen wollen. In Bern war das zuletzt im Oktober 2021. Gemäss Künzis Informationen hat Scientology Bern seither keine Standaktionen mehr durchgeführt. 

Künzi erkundigt sich bei den Schweizer Städten jeweils im Voraus nach Ständen von Scientology und deren diversen «Tarnorganisationen», wie er es nennt. In Bern tritt die Gruppe meist unter dem Label Dianetik auf, der Lehre von Scientology-Gründer Hubbard. Andere Scientology-nahe Vereine heissen «Sag Nein zu Drogen, sag Ja zum Leben», «Bürgerkommission für Menschenrechte – Psychiatrie zerstört Leben» oder «Der Weg zum Glücklichsein».

Die Masche mit dem Test

Ist Scientology nun eine gefährliche Sekte oder ein serbelnder Seniorenverein? Für den deutschen Verfassungsschutz ist die Antwort klar: Er stuft Scientology als verfassungsfeindliche Organisation ein, die es zu beobachten gilt. Scientology sehe sich selbst als Führungselite, die den Rest der Menschheit regieren sollte, heisst es im Verfassungsschutzbericht 2020. «Das – die Demokratie ersetzende – System einer solchen alleinherrschenden scientologischen Regierung ist nicht mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes vereinbar.»

Der betont gemässigt auftretende Scientology-Sprecher Jürg Stettler, der auch die Zürcher Scientologen präsidiert, spricht von einer «völlig falschen und absurden Interpretation» von wenigen, «aus dem Zusammenhang gerissenen» Texten des Scientology-Gründers. «Wir können mit seinen Zitaten das genaue Gegenteil belegen.» In der Schweiz wird Scientology, soweit bekannt, nicht vom Nachrichtendienst beobachtet.

Die deutschen Verfassungsschützer warnen davor, dass Scientology kostenlose Onlinekurse anbiete, «um Interessenten auf diese Weise an das kostenintensive Angebot heranzuführen». Meist sei der Bezug zu Scientology nicht auf den ersten Blick erkennbar. So verhält es sich etwa auch bei Website «Deine-Lebensveränderungs-Lösung», die einen kostenlosen Persönlichkeitstest anbietet – und von den Berner Scientologen betrieben wird.

3 Kommentare zu „Scientology zügelt von Bern ins Dorf

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